Verfassungsgericht kassiert Parteiverbot
Spanische ?Internationalistische Initiative? darf doch zu Europawahlen antreten (Foto: Spitzenkandidat Alfonso Sastre)
Das spanische Verfassungsgericht hat dem von der Madrider Regierung inszenierten Reigen von Parteiverboten einen ersten Riegel vorgeschoben: Es hob das Verbot der ?Iniciativa Internacionalista ? La Solidaridad entre los Pueblos? in der Nacht zum Freitag auf.
Die II-SP (Internationalistische Initiative ? Solidarit?t der V?lker) kann nun doch zu den Wahlen f?r das Europ?ische Parlament am 7. Juni antreten. Auf Veranlassung der Regierung in Madrid war die gesamtspanische Liste vom Obersten Gerichtshof zun?chst verboten worden ? weil dahinter verbotene baskische Organisationen stehen sollen. Doch dem Verfassungsgericht war die Beweisdecke offensichtlich gar zu d?nn.
Das Gericht urteilte, die Indizien, aufgrund derer die Sonderkammer des Obersten Gerichtshofes das Verbot ausgesprochen hatte, k?nnten das fundamentale Recht nicht aushebeln, durch Teilnahme am politischen Prozess frei eine Ideologie zu vertreten.
Die ber?chtigte Sonderkammer, die extra geschaffen worden war, um nach Verabschiedung eines neuen Parteiengesetzes im Jahre 2003 die baskische Partei Batasuna (Einheit) verbieten zu k?nnen, hat in den Jahren seither bereits etliche baskische Parteien und Listen von der Teilnahme an Wahlen ausgeschlossen. Zuletzt hatte sie auch den Antrag der Regierung abgenickt, erstmals eine spanische Liste ? eben II-SP ? f?r gesetzeswidrig zu erkl?ren. Es gebe ?ausreichend Beweise? daf?r, dass die neue Liste ein ?Instrument von Batasuna/ETA? sei, hie? es zur Begr?ndung.
Aus der ?ideologischen N?he? von II-SP und Batasuna wollten die daraufhin angerufenen Verfassungsrichter diesmal jedoch kein Verbot konstruieren. Da half es der Regierung nicht einmal, dass sie auch II-SP mit der baskischen Untergrundorganisation ETA in einen Topf warf. Eine ?Instrumentalisierung? der Liste ?f?r die Durchsetzung der Ziele von Batasuna/ETA? konnten die Verfassungsrichter nicht sehen. Es sei kein Verbotsgrund, dass sich eine Liste an die W?hler der baskischen Linken wende. Dabei hatten die Richter erst vor den Regionalwahlen im spanischen Baskenland im M?rz die Partei Askatasuna (Freiheit) verboten, obwohl die noch 2001 in Konkurrenz zu Batasuna kandidiert hatte.
Im Falle der spanischen Liste II-SP war es nicht einmal ein Problem, dass der Listenf?hrer, der im Baskenland lebende 83-j?hrige Dramatiker Alfonso Sastre, 2004 f?r die Baskisch-Patriotische Aktion (EAE/ ANV) kandidiert hatte. Diese 80 Jahre alte antifaschistische Partei wurde 2008 verboten, weil angeblich auch sie von Batasuna unterwandert worden war. Und auch in den Unterst?tzungsunterschriften von Personen, die fr?her f?r verbotene W?hlerinitiativen kandidiert haben, sahen die Verfassungsrichter diesmal keinen hinreichenden Ausschlussgrund.
Offenbar bleibt die lauter werdende internationale Kritik an der spanischen Verbotspraxis nicht ohne Wirkung. Das Parteiengesetz sei ?schwammig? formuliert, hatte der UNO-Sonderbeauftragte f?r Menschenrechte gerade kritisiert. Es k?nne so interpretiert werden, dass es auch ?politische Parteien trifft, die mit friedlichen Mitteln ?hnliche politische Ziele verfolgen wie terroristische Gruppen?.
( s. hierzu Interview des UNO-Beauftragten mit der baskischen Zeitung Berria vom 18.3.2009 in deutscher ?bersetzung ).
Der Stra?burger Menschenrechtsgerichtshof h?tte ein ein Verbot von II-SP mit gro?er Gewissheit kassiert. Derzeit wird in Stra?burg die Klage von Batasuna verhandelt, eine Entscheidung k?nnte jederzeit fallen. Folgte der Gerichtshof den Urteilen, die in ?hnlichen F?llen bez?glich der T?rkei gesprochen wurden, m?sste das Verbot aufgehoben werden. Die T?rkei musste stets beweisen, dass die verbotene Partei Teil einer bewaffneten Organisation ist. Batasuna wurde aber nur verboten, weil sie Terroranschl?ge der ETA nicht so verurteilt, wie es das spanische Gesetz fordert.
Erstver?ffentlichung: Ralf Streck in Neues Deutschland vom 23.5.2009
Weitere Informationen zum Thema:
Verbotsurteil gekippt, Ingo Niebel, Junge Welt vom 23.5.2009:
“… Mit dem j?ngsten Urteil wurde verhindert, da? erstmals nach Ende des Franco-Faschismus eine gesamtspanische Partei verboten wurde. Das Vorhaben der Madrider Regierung machte das Parteiengesetz, von dem bisher ausschlie?lich baskische Organisationen betroffen wurden, nun zu einem gesamtspanisches Thema. Neben vielen Pers?nlichkeiten, Gruppen und Organisationen, darunter die Kommunistische Partei der V?lker Spaniens (PCPE), protestierte auch der ehemalige Generalkoordinator der Vereinigten Linken (IU), Julio Anguita, und unterst?tzte eine Unterschriftenkampagne gegen das II-SP-Verbot. Der Spitzenkandidat der IU, Willy Meyer, meinte hingegen noch zu Wochenbeginn, man m?sse sowohl das Urteil des Obersten Gerichts wie auch das der Verfassungsh?ter respektieren. Das Verbot schlug auch international Wellen: Die lateinamerikanische Intellektuellenvereinigung ?En Defensa de la Humanidad? zeigte sich mit ihrem Mitglied Sastre solidarisch.
Die II-SP ben?tigt nun 250000 Stimmen, um einen Sitz im Strasbourger Parlament zu erringen. 1987 trat die mittlerweile verbotene baskische Partei Herri Batasuna (Vereintes Volk) zum ersten und letzten Mal spanienweit bei einer EU-Wahl an. Sie erhielt damals 387000 Stimmen; 251000 kamen aus dem Baskenland. Am Freitag begann in Spanien offiziell der Wahlkampf.”